Ein Spaziergang durch die Hügel und schmalen Straßen von Valparaíso ist unglaublich spannend, wenn man nach Street Art und Graffiti Ausschau hält. Man entdeckt ständig Neues und weiß nie, welches neue tolle Kunstwerk einem hinter dem nächsten Haus erwartet. Man läuft steile Treppen hinauf ohne zu wissen, wohin sie führen und landet in einer schmalen Gasse, die wie ein Freilichtmuseum moderner Kunst wirkt. Viele der Bilder haben einen politischen Hintergrund. Unter der Militärdiktatur Pinochets waren die heimlich angebrachten Bilder ein Zeichen des Widerstands und die einzige Möglichkeit für die Künstler, ihren Protest auszudrücken. Jahrzehnte später ist die Street Art populärer wie nie zuvor. Mittlerweile wird sie sogar von der Stadt gefördert, da die Kunstweke zu einer großen Touistenattraktion geworden sind.
Nach einem Frühstück im Bett mit Kaffee, Sojajoghurt mit Müsli und einer anschließenden heißen Dusche bin ich ganz entspannt auf meine nächste Tour durch Valparaíso aufgebrochen. Heute wollte ich mir die Kunstwerke in den Straßen näher anschauen, Pablo Neruda‘s Haus besichtigen und am Nachmittag an einer Free Walking Tour teilnehmen.
Die Cerros Miraflores, Bellavista, Alegre und Concepcíon sind für Street Art Touren am Besten geeignet. Hier finden sich einige der schönsten Kunstwerke. Und auch jede Menge bemalter Treppenstufen.Unglaublich, wie gut die Bilder teilweise sind. Da sind echte Künstler am Werk.Vom Viertel Bellavista wollte ich weiter zum Happy Hill, Cerro Alegre. Als ich am Aufzug Reina Victoria stand, habe ich ein Café entdeckt, über das ich gelesen hatte. Leider war es geschlossen. Ich habe einen älteren Mann gefragt, ob er mir sagen könnte, wann das Café öffnet. Er hat beide Zeigefinger nach oben gehalten. Gut, ich habe es nicht gleich kapiert, war ein bisschen schwer von Begriff. Nachdem ich mit den Schultern gezuckt habe, meinte er nur etwas lauter „ONCE“. 🤣 Ja, ja, ist ja gut, ich habe es ja verstanden. 🤣 Manchmal ein bisschen schroff die älteren Leute, die jungen habe ich ausnahmsweise nett, hilfsbereit und extrem cool erlebt.Als ich in der Straße Templeman y Lautaro Rosas ankam, waren sie gerade dabei, die Gehwege zu erneuern. Überall war Sand aufgeschüttet, an jeder Ecke wurde gearbeitet und gebaggert. Nur die beiden höchsten Treppenstufen wurden außen vor gelassen. Hier wurde durch das colectivo Art+Believe das weltberühmte Bild „We are not Hippies, we are Happies“ gemalt. Leider war das Gemälde durch die Bauarbeiten ziemlich verdreckt und staubig, aber die Botschaft ist das Wichtigste. VIVA LA HAPPIES! 😎Nach meinem stundenlangen Wandern durch die Straßen und einer Pizza zum Mittagessen, die sehr lecker war, aber mit Getränk auch 12 Euro gekostet hat, 🙈 habe ich mir das ehemalige Haus und heutige Museum La Sebastiana von Pablo Neruda angeschaut.Ich mag nicht jegliche Poesie von ihm, aber einige Gedichte finde ich sehr schön. Er hatte auf jeden Fall eine sehr eigenwillige Wohnungseinrichtung mit gesammelter Kunst, melancholischen und schwermütigen Gemälden, viel Kitsch, einem Karussellpferd aus Holz und einem wandgrossen Mosaik aus Steinen. Sein Haus mit 5 Stockwerken auf den Hügeln von Valparaíso hat einen phantastischen Blick auf den Hafen und das Meer. Er saß am liebsten im Wohnzimmer auf einem alten Ledersessel mit Blick auf das Meer und hat geschrieben. Würde mir auch gefallen. 😉Man konnte per Audio Guide alles über seine Sammlerstücke erfahren und danach noch einen kurzen Film über sein Leben anschauen. Der chilenische Dichter und Schriftsteller war politisch sehr engagiert und hat sich vor allem gegen den Faschismus in seinem Heimatland und in Spanien eingesetzt. Zwölf Tage nach dem Putsch unter der Führung von Pinochet soll er angeblich seinem Krebsleiden erlegen sein. Viele glauben bis heute nicht an den natürlichen Tod des in Chile so beliebten Dichters. Sein Haus wurde danach vom Militär geplündert und zerstört. Im November 2015 gab das chilenische Innenministerium in einer Erklärung bekannt, dass es „offensichtlich möglich und sehr wahrscheinlich“ war, dass Nerudas Tod durch Fremdeinwirkung verschuldet wurde. Pablo und ich vor seinem Haus. 🤣
Nach dem Besuch von La Sebastiana war es auch schon an der Zeit für die Free Walking Tour. Ich hatte mich für Tours4Tips entschieden, die zwei unterschiedliche Touren anbieten. Morgens um 10:00 Uhr kann man mit ihnen Valparaíso off the beaten path anschauen und um 15:00 Uhr die Highlights der Stadt. Bei beiden Touren ist man insgesamt 2-3 Stunden unterwegs und läuft 4-5 Kilometer. Die Guides sind großartig. Sie erklären in englisch oder spanisch die Geschichte der Stadt, geben Tipps, wie man sich am besten fortbewegt, zeigen einem die besten Restaurants, Cafés und Bars, die interessantesten Gebäude, die tollsten Graffitis und bringen einen zu Plätzen, die man alleine wahrscheinlich nie aufgesucht hätte. Die Touren lohnen sich auf alle Fälle, besonders in Valparaíso. Die Guides lieben ihre Stadt und sind mit viel Enthusiasmus und Begeisterung bei der Sache. Ich habe an beiden Touren teilgenommen und beide waren absolut super.Morgen muss ich meine weitere Reise organisieren. Ich habe entschieden, mir das Valle del Elqui anzuschauen. Dafür muss ich ca. 6 Stunden mit dem Bus nach La Serena fahren. Hier übernachte ich zwei Tage und unternehme einen Tagesausflug in das Elquital und Abends eine Tour in ein Observatorium. In das Elqui Tal verirren sich nicht viele Touristen, es liegt abseits der Backpacker Routen Chiles. Aber es bietet eine grandiose Landschaft, Weinberge, Täler, Stauseen und kleine Dörfer. Hier scheint an 300 Tagen im Jahr die Sonne und der Sternenhimmel ist einer der klarsten der Welt. Zusätzlich ist das Elquital so etwas wie das spirituelle Zentrum Chiles. Das muss ich mir auf jeden Fall anschauen.Morgen bleibt noch ein letzter Tag in Valparaíso, den ich am Hafen genießen werde und bei einem letzten großen Spaziergang durch die Stadt.