Nach meinem Ausflug nach Guatapé hatte ich noch 2 Tage in Medellín zur Verfügung. Ich wollte auf jeden Fall noch das Museum „Casa de la Memoria“ besuchen, das an die Drogen- und Bürgerkriege erinnert, mir von der Metrocable aus die Viertel oberhalb der Stadt anschauen und den Parque Arví besuchen, ein Naturschutz- und Erholungsgebiet, das auf knapp 2500 m Höhe über Medellín in den Hügeln liegt und über die Metro und Metrocable leicht zu erreichen ist.
Am Morgen nach meinem Trip nach Guatapé habe ich ausgeschlafen und danach mein obligatorisches Frühstück zu mir genommen. Einen kolumbianischen Kaffee mit Stückchen. Nicht sehr gesund, aber lecker! 🤪
Danach bin ich mit der Metro Richtung Museum gefahren. Auf die Metro sind die Paisas, so werden die Einwohner von Antioquia genannt, ganz besonders stolz. Sie behandeln sie fast wie ihre eigenen 4 Wände. 🤣 Alles wird schön sauber gehalten und an den Wänden sieht man weder Graffiti noch sonstige Kritzeleien. Es ist mit Abstand die sauberste U-Bahn, die ich je gesehen habe. In den Abteilen darf weder gegessen noch getrunken werden. Auch in den Stationen ist alles picobello sauber. Man sieht weder Bettler noch Betrunkene oder Junkies. Die Polizei zeigt hier enorm viel Präsenz. Ich habe mich immer ganz schlecht gefühlt, wenn ich mir in der Bahn mal ein Bonbon in den Mund gesteckt habe. 🤣 Extrem günstig ist das Metro Fahren außerdem. Der Preis für eine Fahrt beträgt weniger als einen Euro.
Zum Museum „Casa de la Memoria“ fährt man mit der Metro bis zur Estación San Antonio. Von dort geht es dann entweder mit dem Bus weiter, der Straßenbahn oder man läuft. Ich hatte auf meiner App gesehen, dass es nicht sehr weit ist und bin die Strecke gelaufen. Die Viertel, die man durchquert sehen jedoch nicht so toll aus und auch das Viertel, in dem das Museum liegt zählt nicht zu den einladendsten. Bevor man zum Eingang gelangt, läuft man ein kurzes Stück durch eine Gartenanlage. Hier findet man eine Büste von Gandhi, die der Stadt Medellín von Indien gestiftet wurde:
„Si tú estás en paz contigo mismo, al menos hay un lugar pacifico en el mundo“.
„Wenn du mit dir selbst im Reinen bist, gibt es zumindest einen friedlichen Ort auf der Welt“.
Gandhi, der Prophet der Toleranz und des gewaltfreien Kampfes. In Medellín gab es jahrelang keinen Frieden. Die 80er und 90er Jahre waren blutige Zeiten. Alleine 1991 wurden in Medellín 6.500 Morde begangen. Das Museum erinnert an die Opfer des Krieges. Man findet dort Ausstellungsexponate, Informationstafeln und interaktive Bildschirme, die über einzelne Opferschicksale berichten.Völlig crazy, was in dieser Stadt los war. Das kann man sich kaum vorstellen. Die Friedhöfe waren voll und die Leute konnten nicht mal ihre Kinder beerdigen. Jeden Morgen haben sie 40-50 Tote gefunden. Es waren nie weniger als 40 und die meisten davon waren männliche Jugendliche. Die schiere Anzahl von Toten in Medellín war schockierend.
Die interaktiven Tafeln mit Informationen, Zeitungsartikeln und audiovisuellen Berichten konnte man nur auf spanisch lesen. Ohne Sprachkenntnisse ist man hier leider verloren. Um die Geschichte der Stadt wirklich zu verstehen, ist ein Besuch im Museum Pflicht. Und es kostet nicht mal Eintritt. Die bewegenden Geschichten der Überlebenden, die vielen furchtbaren Reportagen und Schicksale der Menschen machen einen betroffen. Ich war froh, dass ich keine Massenmörder-Escobar Tour gebucht hatte. Für mich hätte es sich nicht richtig angefühlt, am Grab eines Killers zu stehen, so, als wäre er ein Held gewesen. Die wahren Helden sind die Menschen in Medellín, die Toten und die noch Lebenden, die all die Jahre unter dem Schrecken gelitten haben.
Nach dem Besuch des Museums bin ich Richtung Downtown zurückgelaufen. Hier sieht Medellín aus wie jede andere Stadt in Lateinamerika. Laut, voller Autos, voller Abgase und Gehupe. Ein echtes Chaos in der Mittags Rush-Hour. 🤪Mitten in diesen Abgasen verkaufen sie Obst und Gemüse. Kontaminierte Mangos, Ananas, Avocados und Papaya. Lecker! 🤣Es war schon um die Mittagszeit und ich war hungrig. Daher bin ich mit der Metro zu meinem Lieblingsrestaurant „Dharma“ in Poblado gefahren. Dort gab es als Mittagsmenü eine Brokkoli Suppe, einen Ananassaft und als Hauptgericht einen Fladen aus Reis und Quinoa mit Gemüse und einer Soße aus Avocado, Hummus und Mango. Nach der Stärkung bin ich mit der Metrocable, der Seilbahn, die Hügel von Medellín abgefahren. An den Endstationen bin ich nicht ausgestiegen, da es nicht unbedingt empfehlenswert ist. Wie in vielen Städten in Lateinamerika gilt auch in Medellín, „je höher desto ärmer“.Und das konnte man von der Seilbahn aus schon sehen. Ein Meer von Wellblechdächern, Häuser ohne Fenster und Türen und halb fertig gebaute Bruchbuden. Und mitten in diesem Elend ein Werbeschild für Damenunterwäsche. Ziemlich deplatziert! 🙈Abgesehen von den zum Teil wirklich schlimm aussehenden Wohnvierteln hat man von der Seilbahn eine gigantische Aussicht, bei der einem erst einmal bewusst wird, wie groß die Stadt tatsächlich ist.
Medellín ist mittlerweile eine lebenswerte Stadt, der es wirtschaftlich gut geht. Die Temperaturen liegen konstant zwischen 20 und 30 Grad. Es gibt wohl kaum eine Stadt mit einem besseren Klima. Nicht umsonst wird sie auch die „Stadt des ewigen Frühlings“ genannt. Es wurde viel investiert, nicht nur um der Stadt ein neues Image zu geben, sondern um die Lebensqualität für alle zu steigern.
Am letzten Tag in Medellín bin ich am Morgen aufgestanden und habe einen Teil meiner Sachen organisiert. Dabei habe ich mich auf das Bett und versehentlich auf meine Brille gesetzt. „Gar kein Problem bei einer Titan Brille“, O-Ton des Verkäufers damals. Die können sie verbiegen, da passiert nichts. Von wegen! Am Bügel der Brille war ein Plastikteil abgebrochen. Da diese Designer Brille schraubenlose Bügel besitzt, war ein Reparieren so gut wie unmöglich. So ein Shit – und nun? 😱 Der Bügel hielt noch, aber gerade so, als hinge er an einem seidenen Faden. Ich habe versucht, das Plastikteil wieder einzusetzen, aber da war nichts zu machen, das hielt nicht. Also habe ich zuerst alle Optiker in der Nähe von Luz Wohnung abgeklappert. Der erste konnte mir gar nicht helfen. Beim zweiten haben sie mir angeboten, die Gläser aus meiner alten Holzbrille in ein neue Brillenfassung einzusetzen. Aha! Okay! Also musste ich mir dort in Windeseile ein neue Fassung aussuchen, in die die Gläser gepasst haben. Sehr witzig! 🤣 Alle Fassungen, die auch nur annähernd okay aussahen, waren zu groß. Die Einzige, die gepasst hat, sah aus wie eine Kinderbrille. 🤣 Eine blaue Fassung mit orangen Bügeln. Besser konnte es ja kaum kommen. 🙈 🤣 Im Endeffekt war es mir dann egal, Hauptsache ich kann sehen. Also habe ich sie gekauft und für die Fassung mit dem Einsetzen der Gläser 50 Euro bezahlt. Abholen konnte ich sie gegen Nachmittag.
Nach dem Besuch beim Optiker, der eigentlich nicht eingeplant war, bin ich mit der Metro und der Metrocable zum Parque Arví gefahren. Unterwegs in Medellín habe ich immer wieder extrem nette Leute getroffen. Diesmal auch in der Gondel. Ein junges Paar aus der Stadt mit einem kleinen Kind, mit denen ich mich während der ganzen Fahrt unterhalten habe. In Medellín habe ich bislang die freundlichsten, offensten und aufgeschlossensten Menschen meiner Reise getroffen. Das hat schon mit Luz, der Besitzerin der Airbnb Wohnung begonnen. Auch wenn wir nicht besonders viel Kontakt hatten, war sie bei unseren wenigen Begegnungen extrem freundlich. Bei ihr hatte ich das Gefühl, ich übernachte in der Wohnung einer Bekannten oder Freundin.
An der Endstation am Parque Arví gab es einen kleinen Markt mit Essen und Kusthandwerk. Den Park kann man alleine erkunden, die Strecke führt jedoch fast gänzlich an einer asphaltierten Straße entlang und es gibt kaum Hinweisschilder. Die richtigen Wanderwege läuft man nur auf einer geführten Tour. Diese habe ich dann gebucht. Mit ca. 10 anderen Touristen sind wir mit unserem Guide fast 2 Stunden durch den Wald gelaufen. Was für eine Ruhe nach der Hektik in der Stadt. Phantastisch! Kein Wunder, dass die Paisas am Wochenende alle aus der Stadt fliehen und den Park besuchen. Wir hatten einen sehr jungen engagierten Guide, der uns alles erklärt hat. Die Fauna war teilweise sensationell, solche Pflanzen hatte ich bislang noch nicht gesehen. Mehr als einmal habe ich einfach nur staunend die Umgebung angeschaut. 😊Nach dem Ende der Tour habe ich in einem kleinen vegetarischen Restaurant gegessen, „Cable a Tierra“, das sich etwa 5 Minuten von der Metrocable Station befindet. Die Besitzerin und Köchin baut alles selbst an. Es gab ein Menü, bestehend aus einer Kürbissuppe und einem Hauptgericht mit Salat, einer Kochbanane mit Avocado und einer überbackenen Gemüsepfanne. Dazu servierte sie einen Passionsfrucht-Honig-Ingwer-Tee! Sehr gutes Essen und das mitten im Nirgendwo. 😆 Hätte ich dort gar nicht erwartet.Nach dem Essen bin ich mit der Metrocable und der Metro zurückgefahren. Auf dem Weg zu Luz Wohnung habe ich meine Brille abgeholt. Alles gut, außer dass sie mir vom Kopf fällt, wenn ich nach unten schaue. 🙈 🤣 Aber egal, Hauptsache ist, dass ich überhaupt eine Brille habe. Als ich die Wohnung betrat, kam mir Luz schon völlig aufgelöst entgegen. Sie hatten ihr in einem Einkaufszentrum das Handy gestohlen. 🙈 😱 So ein Mist, man muss echt höllisch aufpassen! Weil sie total im Stress war und gleich los wollte, um ein neues Handy zu besorgen und alles weitere zu organisieren, haben wir uns direkt verabschiedet. Ich habe dann meinen Rucksack gepackt und mir die Brille mit dem defekten Bügel noch einmal angeschaut. Vielleicht ließ sich das doch irgendwie stabilisieren. Bei dem Versuch ist dann das restliche Plastik aus dem Bügel gefallen und das Teil hing komplett nach unten. 🤣 Sagenhaft! Jetzt hatte ich schon extra zwei Brillen dabei und beide sind hinüber! Große Klasse! 🙈
Mein letzter Abend in Medellín. Schweren Herzens werde ich von der Stadt Abschied nehmen. Hier hat es mir richtig gut gefallen. Medellín ist modern, sauber, mit einer tollen, pünktlichen und günstigen Metro mit Metrocable, tollen Restaurants und Cafés, vielen vegetarischen Optionen und den freundlichsten und tollsten Menschen, die man sich vorstellen kann. Man hat sich dort überall total willkommen gefühlt. Morgen Mittag um 12:00 Uhr geht es mit dem Bus ca. 4 Stunden in das kleine Dorf Jardín.