La Paz ist die größte und wichtigste Stadt in Bolivien, auch wenn sie nach der Unabhängigkeit Boliviens nicht zur Hauptstadt erklärt wurde (Sucre). Sie liegt auf einer Höhe von 3.200 m bis 4.100 m, wenn man El Alto mit einschließt und ist damit der höchstgelegene Regierungssitz der Welt. La Paz ist eine seltsame Stadt, verrückt, chaotisch, kalt und dreckig, definitiv aber einzigartig und anders. Richtig angefreundet habe ich mich mit ihr nicht, was vielleicht aber auch mit dem Wetter zu tun hat. Wie kann man auch mit einer Stadt warm werden mit alpin ozeanischem Klima und einer Jahresdurchschnittstemperatur von 7,5 Grad?
Um 18:00 Uhr sind wir in Copacabana losgefahren und haben La Paz um 22:00 Uhr erreicht. Dies war meine letzte Busfahrt mit Peru Hop bzw. Bolivia Hop. Der Bus-Pass endet in La Paz. Damit alle sicher ankommen, wurden wir entweder mit dem Bus oder mit einem Taxi zu unserer jeweiligen Unterkunft gebracht. Ich hatte diesmal ein Airbnb gebucht in Miraflores, einem Stadtteil im Norden von La Paz. Die Taxifahrt dorthin gestaltete sich jedoch schwieriger als angenommen, da der Fahrer zwar relativ schnell die Straße gefunden hatte, aber weder die Hausnummer noch das Haus. Wir sind ca. eine halbe Stunde die Straße hoch und wieder herunter gefahren. 🙈 Fragen kann man hier leider auch niemanden. Die Leute sind zwar sehr nett und hilfsbereit, haben aber in der Regel null Ahnung. Wir konnten auch nicht anrufen, ich hatte kein Wifi und der Taxifahrer kein Guthaben. 🙈 Er war sichtlich genervt und wollte mich schon dort mit meinem Rucksack stehen lassen – na super – bis ich durch Zufall das Haus entdeckt hatte. Man, war ich froh. Mitten in der Nacht irgendwo in La Paz herumstehen war jetzt keine so tolle Aussicht. Nachdem mir Annelice, die Besitzerin des Hauses, die wichtigsten Dinge mit Schlüssel, etc. noch schnell erklärt hatte, konnte ich schlafen gehen. Ich war nach der Busfahrt hundemüde.
Am nächsten Morgen habe ich mich beim Frühstücken länger mit ihr unterhalten. Das Haus haben sie von den Schwiegereltern geerbt. Ihren Mann, Oscar, habe ich auch kennengelernt. Er ist nett, sehr hilfsbereit, aber etwas seltsam. 🤣 Er kam am ersten Morgen mit einem Ganzkörper-Fleece-Overall in die Küche. 🤣 In La Paz ist es extrem kalt. Man steht morgens auf und es ist kalt, zwischen 1-4 Grad. Hier gibt es keine Heizung. 🙈 Man geht in das Bad und friert. Duschen geht dann extrem schnell. In der Küche ist es auch kalt, meistens steht irgendwo eine Tür nach draußen offen. Ich verstehe nicht, wie sie das aushalten? Vielleicht nur in Ganzkörper-Fleece-Anzügen. 🤣 Oscar arbeitet nicht, er geht jedenfalls nicht aus dem Haus. Und er macht den Eindruck, als wüsste er alles besser. Aber er ist super hilfsbereit, da kann man nichts sagen.
Am ersten Tag wollte ich mir die Stadt mal etwas genauer anschauen. Das macht man hier am Besten mit der Teleférico, der Seilbahn. Derzeit gibt es 8 Linien, die die verschiedenen Stadtteile und El Alto verbinden. Drei weitere sind in der Planung. Sobald sie fertiggestellt sind, wird das Seilbahnnetz von La Paz das größte der Welt sein. Die Teile sind super modern und sicher, sie wurden von dem österreichischen Unternehmen Doppelmayr gebaut. Aber wie komme ich nun zu einer Station in der Nähe und wie benutze ich die Seilbahn? Annelice hat mir alles genau erklärt, aber schon auf dem Weg dorthin habe ich mich verlaufen. Das ist ja nichts Neues bei mir. 🤣
Nachdem ich nach ein paar Umwegen die Station gefunden hatte, habe ich mich mit einer ganzen Menge Tickets eingedeckt. Pro Fahrt zahlt man nur 40 Cent, 3 Boliviano. Steigt man aus oder um, benötigt man ein neues Ticket. Die Fahrt mit der Seilbahn ist spektakulär. Man hat einen 360 Grad Blick auf La Paz und El Alto. Erst aus der Vogelperspektive sieht man, wie groß und weitläufig die Stadt tatsächlich ist.El Alto ist ein ehemaliger Stadtteil von La Paz, seit 1985 aber eigenständig. Heute leben dort weit über 800.000 Menschen und die Stadt ist mittlerweile sogar größer als La Paz und nach Santa Cruz die zweitgrößte Stadt Boliviens. El Alto liegt auf dem Altiplano, der Hochlandebene von Bolivien, während La Paz mit der Altstadt und dem Zentrum in einem riesigen Talkessel liegt. Zwischen dem niedrigsten und höchsten Punkt liegen somit über 1.000 m, voll krass. Wenn man die zu Fuß laufen müsste, Prost Mahlzeit.
Da Sonntags im El Alto der riesige Markt „Feria 16 de Julio“ stattfindet, bin ich zuerst mal in diese Richtung gefahren. Spektakulär und der absolute Wahnsinn gleichzeitig. Je höher man fährt, umso ärmer wird es. Unzählige Bretterhütten und Häuser mit Wellblechdächer ziehen sich die Hänge bis El Alto hinauf. Das sieht dort nicht wirklich schön aus. Im El Alto wohnen fast ausschließlich Indigene, 75 % gehören der Gruppe der Aymara an, 6 % sind Quechua. Die Seilbahnen und die Stationen waren extrem voll. Ich wollte mir das Spektakel auf jeden Fall mal anschauen. Es soll der größte Markt der Welt sein, weitaus größer als alle Märkte in Asien. Er erstreckt sich auf unglaubliche 25 km², einfach unfassbar groß. Hier gibt es alles, von Autos über Zweiräder, Klamotten, Autoteile, Schrauben, Schuhe, bis hin zu Tieren, Essensstände, Möbel und jede Menge Taschendiebe. Wenn du dein iPhone geklaut bekommst, kannst du es sicher an irgendeinem Stand wiederfinden. 🙈 Ich habe es in diesem Gewusel keine 15 Minuten ausgehalten. Der blanke Horror für mich, aber ich bin auch kein Flohmarkt Fan. Unmengen von Menschen, die sich durch die engen Gassen der Stände schieben, seltsame Gerüche, merkwürdiges Essen, Stände mit billigen China-Waren neben Autoteilen und winselnden Hunden. Danke, aber nein Danke. Das muss ich nicht gesehen haben.
Ich bin daher aus El Alto geflohen und Richtung Cementerio gefahren. Der Friedhof in La Paz ist riesig. Hier liegen über 200.000 Tote, die aus Platzgründen in Mauern vier- und fünfstöckig übereinander begraben wurden. Jedes Grab verfügt über ein kleines Fensterchen, in dem die Hinterbliebenen frische Blumen, aber auch Alkohol, Spielzeug, Zigaretten und persönliche Andenken der Verstorbenen hinterlegen. Überall waren Menschen unterwegs, die die Fensterchen gesäubert und frische Blumen gebracht haben.Für jedes Grab muss eine Gebühr gezahlt werden. Die Bolivianer glauben, dass die Seele der Verstorbenen noch fünf Jahre nach dem Ableben unter den Verbliebenen verweilt. Daher wird das Grab während dieser Zeit sorgfältig gepflegt und die Gebühr bezahlt. Nach fünf Jahren stirbt die Seele. Viele Hinterbliebene nehmen dann den Schädel – die ñatita – mit nach Hause, den sie als Schutzgeist Zuhause aufbewahren. Einmal im Jahr, am 7. November wird in La Paz der Tag der ñatitas begangen. Hunderte von Familien bringen an diesem Tag die Totenschädel von Zuhause auf den Friedhof, um sie segnen zu lassen. Völlig crazy!
Zeugnis dieser indigenen Traditionen findet man in Kunstform überall auf dem Friedhof.Sehr spannend, wie hier mit dem Thema Tod umgegangen wird. Ein weiterer besonderer Ort ist der Mercado de las Brujas, der Hexenmarkt. In den kleinen Geschäften, in denen es sehr eklig riecht, werden allerlei merkwürdige Dinge verkauft, von Glücksamuletten über pflanzliche Heilmittel, Zaubertränke und Opfergaben bis hin zu getrockneten Lamaföten mit und ohne Fell. Wer in Bolivien ein Gebäude errichtet, sollte ein Lamafötus als Opfergabe an Pachamama (Mutter Erde) mit einmauern. Bei größeren und hohen Gebäuden reicht ein Lamafötus jedoch nicht mehr aus, ein ausgewachsenes Lama tut es auch nicht. Es wird daher erzählt, dass Menschen hierfür geopfert werden, meist Obdachlose, die keiner vermisst. Schon eine krasse und gruselige Vorstellung. Aber anscheinend belegt durch Funde, die beim Abriss großer Gebäude entdeckt wurden.
Der Hexenmarkt downtown ist aber nichts im Vergleich zu dem wesentlich größeren Hexenmarkt im El Alto. Hier geht aber keiner gerne alleine hin, das Umfeld dort ist nicht wirklich vertrauenserweckend. Ich war dort mit einer Gruppe Israelis, zwei Australier und einem Engländer auf einer geführten „Extended City Tour“. Unser Guide hat uns in die Schamanen Straße geführt, eine Straße voll mit winzig kleinen Hütten ohne Fenster, in denen Schamanen sitzen und auf Kundschaft warten. Die indigene Bevölkerung geht lieber zu einem Schamanen, anstatt zu einem Arzt. Dort roch es auch ziemlich merkwürdig. Die Schamanen lesen auf Wunsch die Zukunft aus Coca Blättern. Also nichts wie hinein in die gute Stube. 🤣 Wir waren bei einer Schamanin und da ich Spanisch spreche, konnte ich ohne den Guide als Übersetzer bei ihr alleine sitzen. Es hat echt nicht gut gerochen und es war ziemlich eng dort drinnen. Ich habe Platz genommen und durfte ein paar Fragen stellen, die sie mit Ja oder Nein beantworten konnte. Dann hat sie die Coca Blätter geworfen und mir die Antworten gegeben. Also alles super, ich werde bald die Liebe meines Lebens kennenlernen und heiraten – oder so ähnlich. 🤣 Die Arbeitsstelle soll ich auf jeden Fall wechseln, also liebe Kollegen, ihr habt es gehört. 🤣 In der Zwischenzeit hatte die israelische Gruppe draußen vor der Tür einen Joint gedreht. Als ich herauskam dachte ich, ich spinne. Just in diesem Moment fuhr ein Polizeiwagen vorbei. Die haben echt Nerven! Zum Glück haben sie nicht angehalten.
Ich würde nicht behaupten, dass La Paz eine schöne Stadt ist. Eher faszinierend, chaotisch und völlig irre. Wie in vielen Städten der dritten Welt frage ich mich auch dort, wie das tatsächlich mit dem Strom funktionieren kann. 🤣Ich habe noch nie so viele halb fertiggestellte Häuser gesehen wie in La Paz. Unser Guide meinte, dass hängt mit der Steuer zusammen.Erst wenn ein Haus komplett fertig gebaut ist, wird eine Steuer erhoben. Daher bleiben sie alle halb fertig und die Leute ziehen ein und wohnen dort. Das sieht teilweise echt krass aus.
In der Zona Touristica gibt es einen Souvenirshop nach dem anderen. Überall werden Alpaka Pullover verkauft, Silberschmuck und Tücher. Hier gibt es auch die meisten Restaurants. Fast alle guten haben ausländische Besitzer. Mein Lieblingsrestaurant ist das „Higher Ground“, das von einem Australier geführt wird. Nicht ausschließlich vegetarisch, aber tolle Gerichte und einen super Kaffee. Sie haben auch Frühstück, Porridge mit Bananen und Honig. Großartig! Das Beste aber ist das vegetarische Curry. Extrem lecker. Und dazu selbstgemachte Minz-Limonade.Morgen geht es mit dem Mountain-Bike die gefährlichste Straße der Welt herunter. Downhill Madness auf dem „Camino de la Muerte“, der Death Road.