Ich hatte schon lange den Traum, einmal im Leben den Jakobsweg nach Santiago de Compostela zu laufen. Für alles im Leben gibt es anscheinend den passenden Augenblick. Mein Pilgerweg startete im Jahr 2012. Ich hatte mich eingelesen, mir einen großen Rucksack zugelegt, Wanderschuhe gekauft und genügend Blasenpflaster. Es wurde im Endeffekt nicht nur eine Wanderung nach Santiago sondern der erste Schritt auf dem Weg zu einer langen, inneren Reise.
Nach vielen Internet-Recherchen hatte ich mich für den Camino del Norte entschieden. Der Küstenweg startet in dem französischen Städtchen Hendaye an der Grenze zu Spanien und durchquert die spanischen Regionen Baskenland, Kantabrien, Asturien und Galicien. Er ist insgesamt ca. 840 Kilometer lang und gilt als einer der schönsten Wege nach Santiago de Compostela. Der Camino de la Costa ist bei weitem noch nicht so überlaufen wie der klassische Jakobsweg, man findet unberührte Natur, eine atemberaubende Landschaft und läuft eine lange Zeit an der traumhaften Atlantikküste entlang.
Ich hatte mich entschlossen, in Bilbao zu starten, da mir insgesamt nur 5 Wochen Zeit zur Verfügung standen. Ich wollte den Weg langsam angehen und auch mal an einem Ort bleiben, wenn es mir dort gefällt.
Meine Etappenübersicht:
No. | Etappe | KM zu Fuss | KM mit Bus |
1 | Bilbao – Pobeña | 26,6 | |
2 | Pobeña – Castro Urdiales | 15,7 | |
3 | Castro Urdiales – Laredo | 24,8 | |
4 | Laredo – Noja | 13,5 | |
5 | Noja – Güemes | 12,7 | |
6 | Güemes – Santander | 14,0 | |
7 | Santander – Polanco | 35,8 | |
8 | Polanco – Santilliana del Mar | 10,5 | |
9 | Santilliana del Mar – Cobreces | 12,2 | |
10 | Cobreces – Comillas | 10,4 | |
11 | Comillas – San Vicente de la Barquera | 11,3 | |
12 | San Vicente de la Barquera – Colombres | 17,8 | |
13 | Colombres – Vidiago | 11,4 | |
14 | Vidiago – Llanes | 11,7 | |
15 | Llanes – Ribadesella | 29,1 | |
16 | Ribadesella – Colunga | 20,1 | |
17 | Colunga – Villaviciosa | 25,7 | |
18 | Villaviciosa – Gijón | 26,4 | |
19 | Gijón – Luarca | 89,2 | |
20 | Luarca – La Caridad | 28,8 | |
21 | La Caridad – Ribadeo | 28,4 | |
22 | Ribadeo – Mondoñedo | 37,1 | |
23 | Mondoñedo – Gontán | 19,0 | |
24 | Gontán – Vilalba | 21,1 | |
25 | Vilalba – Eirexe | 27,6 | |
26 | Eirexe – Sobrado dos Monxes | 35,2 | |
27 | Sobrado dos Monxes – Salceda | 34,2 | |
28 | Salceda – Santiago de Compostela | 29,8 | |
Kilometer insgesamt | 528,1 | 152 |
Die ersten Etappen führten mich durch das schöne Kantabrien mit den Küstenorten Castro Urdiales, Liendo, Lauredo und Noja. Diese Abschnitte der Strecke waren wunderschön und führten allesamt an der Atlantikküste entlang.An der schönen Costa Verde in dem kleinen Städtchen Noja habe ich einen Tag Rast eingelegt.Dem riesigen kilometerlangen Strand konnte ich nicht widerstehen. Hier habe ich einen ganzen Tag mit Schwimmen, Sonnen und Faulenzen verbracht.Danach ging es weiter bis zur Kultherberge von Güemes, in der uns der Pilgervater bei einer abendlichen, gemeinsamen Zusammenkunft die Geschichte der Herberge erzählte und uns mit auf den Weg gab, dass der Weg ein Lehrer für uns sein kann. Wie Recht er hatte. Von Güemes ging es weiter entlang der Steilküste und danach ein kleines Stück mit der Personenfähre nach Santander, der Hauptstadt Kantabriens. Für alle, die das wahre Spanien suchen, diese Stadt hat einfach alles. Wunderbare Restaurants, malerische, kleine Einkaufsstraßen, wundervolle, herzliche Menschen, die so typisch Spanisch sind, unbeschreiblich schöne Strände und einen kleinen Hafen.
Von Santander habe ich nach zwei weiteren Tagesetappen das historische Städtchen Santillana del Mar erreicht. Hier scheint irgendwie die Welt stehengeblieben zu sein. Der Ort strahlt eine unglaubliche Ruhe aus, auch wenn es hier tagsüber nur so von Touristen wimmelt.Die Altstadt ist für Autos gesperrt, man läuft über Kopfsteinpflaster und alte Gässchen vorbei an Häusern mit blumengeschmückten Holzbalkonen. Es gibt wundervolle Restaurants und überall kleine Souvenirläden mit Kunsthandwerk.Nach einem weiteren Tag Aufenthalt in diesem schönen Städtchen lief ich weiter durch die kleinen Ortschaften Cobreces und Comillas weiter zu dem kleinen Fischerort San Vicente de la Barquera. Von dort waren es noch 30 Kilometer bis nach Asturien. Über einen kleinen Abstecher mit dem Bus nach Villaviciosa, einem kleinen Hafenstädtchen, das sich 3 Spanier anschauen wollten, die ich unterwegs kennengelernt hatte, ging es nach einer weiteren Tagesetappe nach Gijón.Die Stadt war großartig, sie hat mich ein klein bisschen an Havanna erinnert mit ihrer Silhoutte am Meer. Und tatsächlich gibt es eine Partnerschaft zwischen diesen beiden Städten.Gijón ist die größte Stadt am Golf von Biskaya und zählt zu Recht zur Hauptstadt der Costa Verde.Die Spanier, mit denen ich eine Weile gelaufen bin, waren großartig. Wir haben uns super verstanden und es hat sehr viel Spaß gemacht, einen Teil des Weges mit ihnen zu gehen. Von Gijón aus haben sich unsere Wege getrennt und es wurde zunehmend bergiger. Nach weiteren drei Tagesetappen bin ich in Ribadeo angekommen, dem ersten Ort in Galicien. Hier habe ich schweren Herzens die Küste verlassen, der Weg lief im Landesinneren weiter. Von Mondañedo waren es weitere drei Tagesmärsche bis zur Albergue Deva Pronatura, der schönsten Unterkunft auf dem gesamten Jakobsweg.Mit unglaublich viel Liebe haben hier die Besitzer ein altes Steinhaus eingerichtet und zu einer Herberge umfunktioniert. Alles ist total sauber, die Betten sind unglaublich komfortabel, es gibt vegetarisches Essen, man kann sogar Massagen buchen. Was für ein phantastische Unterkunft, ein Traum für jeden Pilger.Von Eirexe ging es nach einem Gewaltmarsch von mehr als 30 Kilometern in die Klosterherberge von Sobrado dos Monxes. Nach einer weiteren Tagesetappe traf der Camino del Norte auf den Camino Frances, den klassischen Jakobsweg.Von dort aus waren es nur noch weitere 40 Kilometer bis ich Santiago de Compostela in Sandalen erreicht habe.
Der Camino war eine Erfahrung sondersgleichen und der Weg mein Lehrer, so wie der Pilgervater in der Herberge in Güemes vorausgesagt hatte. Das Laufen war Meditation, der Rucksack pure Freiheit. Mit dem Gefühl zu laufen, alles hinter sich zu lassen, keine Verpflichtungen zu haben und nur mit dem zu leben, was man bei sich trägt, dass macht etwas mit einem. Wer viel alleine läuft macht zusätzlich eine unglaublich tolle Erfahrung und die heißt, Zeit mit sich selbst verbringen. Man findet die Möglichkeit, sich neu zu orientieren und die Seele aufzuräumen. Mit dem Laufen setzen sich auch die Gedanken in Bewegung, ich habe auf dem Weg Achtsamkeit gelernt, die Konzentration auf Wesentliches und die Freude am puren Dasein. Ich habe einer spirituellen Sehnsucht Raum gegeben, die Bewusstheit, Klarheit und Entfaltung erfahren wollte. Das Pilgern war daher nicht nur wandern sondern der erste Schritt zu einer Reise zu mir Selbst.
Es war auch eine körperliche Erfahrung und Herausforderung wie ich sie vorher noch nie erlebt hatte und die mich physisch oft an meine Grenzen brachte. 530 Kilometer an 28 Tagen zu laufen, das ist schon ordentlich und ohne Frage gab es auch Tage, in denen das Laufen am Ende zur Qual wurde.
Ich bin unglaublich vielen, tollen, zum Teil sehr offenen Menschen begegnet, die alle auf Ihrer eigenen Reise waren und die mich sehr bereichert haben.
Der Camino zählt zu einer der besten und schönsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben bisher gemacht habe. Der Weg hat mich verändert, weil er Auslöser dafür war, mein Leben neu zu überdenken und neue Perspektiven und Ansätze zu gewinnen.
“Besser auf neuen Wegen stolpern, als auf alten Pfaden auf der Stelle zu treten.”
(Chinesisches Sprichwort)
Der schönste Ort: Santillana del Mar
Ein kleines mittelalterliches Örtchen in Kantabrien, ca. 30 Kilometer von Santander entfernt. Die Altstadt ist für Autos gesperrt. Man läuft über gepflasterte Gassen und Straßen entlang von alten Steinhäusern mit blumengeschmückten Holzbalkonen. Überall findet man Oasen der Ruhe, auch wenn die Stadt tagsüber viele Touristen anzieht. Ich habe an diesen Ort nur die allerschönsten Erinnerungen.
Der schönste Strand: Noja
Kilometerlange goldene Sandstrände, eine mondähnliche Landschaft bei Ebbe, spektakuläre Sonnenuntergänge und die unter Naturschutz stehende Sumpflandschaft, zeichnen das schöne Örtchen Noja am kantabrischen Meer aus. Hier bin ich einen Tag länger geblieben als geplant und habe einen Strand-Tag am Meer verbracht. Es waren kaum Menschen unterwegs, ich hatte fast den ganzen Strand für mich alleine.
Die schönste Herberge:
Deva ProNatura | Lugar de Eirexe, 7 | Sambreixo de Parga | Guitiriz Lugo
In einem alten Steinhaus, 7 Kilometer nach Baamonde findet man diese phantastische Unterkunft, die mit Abstand die schönste Albergue war, in der ich untergekommen bin. Das Haus ist mit unglaublich viel Liebe eingerichtet, man findet überall Mosaike und Kunsthandwerk. Es gibt vegetarisches Essen. Die Betten sind traumhaft komfortabel und sauber und im Bad gib es sogar handgemachte Seifen. Selbst Massagen kann man dort buchen.
Die lustigste Begegnung:
Eine Kolumbianerin, die in Barcelona lebt. Sie ist arbeitslos und sollte eine Ausbildung machen, irgendetwas mit Elektrik. Sie hat erzählt, es sei furchtbar langweilig gewesen und sie hat auch nichts gelernt. Geblieben sind ihr die Sicherheitsschuhe, die sie auch an hatte. Super schwere und feste Schuhe mit Stahlkappen auf dem Camino. Ich habe mich kaputtgelacht. Aber sie hatte drei verschiedene Farben Nagellack dabei.